Die Höhenkreise, Wendekreis des Krebses und des Steinbocks
Bild unten links/Bild 1: Die Höhenkreise gruppieren sich um den Zenit (90º) herum. Der Äußere ist der Horizont (0º). Die gestrichelten Kreise sind 5º-Ergänzungen. Rechtwinklig dazu verlaufen die Azimutbögen von 0º bis 180º. Die Unterteilung beträgt jeweils 10º. Der Nordpol (48,5º) ist der Mittelpunkt des Himmelsäquators und der beiden Wendekreise des Krebses bzw. Steinbocks. Letztere werden von der Ekliptik tangiert, auf der die Sonne das Jahr über wandelt.
Auf der Erde sind die Wendekreise die beiden Breitenkreise von etwa 23° nördlicher Breite (= Wendekreis des Krebses) und südlicher Breite (Wendekreis des Steinbocks). Auf den Wendekreisen steht die Sonne am Mittag des Tages der jeweiligen Sonnenwende im Zenit. Außerdem markieren diese Breitengrade den Beginn der Tropen.
Man beachte, dass die beiden Wendekreise, der Himmelsäquator und die Ekliptik auf allen Astrolabien gleich sind. Im Gegensatz dazu sind die Höhenkreise und Azimutbögen von der geografischen Breite des Beobachters abhängig; man kann auch sagen, vom Winkelabstand zwischen Nordpol und Zenit. Und da die stereografische Projektion vom Südpol aus erfolgte, handelt es sich nicht um eine einfache Verschiebung, sondern um jeweils eine andere ‚Verzerrung‘. Deswegen sind Astrolabien an eine bestimmte geografische Breite gebunden.
Bild unten rechts/Bild 2: Allerdings kann man sich mit Einlegescheiben behelfen. Das zweite Bild unten zeigt den Vergleich mit einer fabrikmäßig gefertigten Einlegescheibe für den 50-ten Breitengrad. Der Unterschied zwischen 48,5º (rot) und 50º (schwarz) sollte nicht groß sein, ist aber deutlich zu erkennen. Man muss berücksichtigen, dass die Messgenauigkeit eines kleinen Astrolab-Nachbaus nicht sehr hoch ist, weswegen man sagt, dass eine Scheibe für ±1,5º gut ist. Die abgebildete Einlegescheibe zeigt im unteren Drittel weitere schwarze Kreisbögen. Diese sind mit 1 bis 11 (eigentlich 12) nummeriert: sogenannte temporäre Stunden pro Tag. Ihre Bedeutung findet man im Kapitel ‚Zeit‘. Wir kopieren sie in die Grafik. Kommen wir nun zur technischen Ausführung. Dabei spielt das Verhältnis der Durchmesser von Ekliptik zum Wendekreis des Steinbocks eine Rolle. Theoretisch sollte es 0,715 betragen, schwankt aber bei den einzelnen Museumsstücken zwisch 0,712 und 0,722. So ganz präzise wurden die Werkstücke doch nicht gefertigt.
Der Aufbau des Astrolabiums anhand des Peuerbach-Astrolabium
Das Peuerbach-Astrolabium wird als Demonstrationsobjekt benutzt, weil mit ihm eine gute Übereinstimmung besteht. Es ist für 48º nördliche Breite gemacht (Peuerbach liegt auf 48,3º).
Jedes Astrolabium besteht aus einem Gehäuse, der Mater, mit einer zylindrischen Vertiefung zur Aufnahme der Einlegescheibe, dem Tympanon, falls vorhanden, und der durchbrochenen Scheibe, der Rete, die im wesentlichen aus einem Ring für den Wendekreis des Steinbocks und einem Ring für die Ekliptik besteht. Beide sind durch einen Steg mit einander verbunden, der durch den Nordpol geht. Dort liegt die Achse, um die sich die Rete drehen lässt. Diese, d.h. die Ekliptik, ist in der Abbildung nach oben gedreht, nicht ganz nach Süd-Nord, etwa 6º nach rechts, wie man an der rechteckigen Öse am oberen Ende der Ekliptik gegen die Mater sehen kann.
Man beachte, dass der Wendekreis des Steinbocks innen und die Ekliptik außen am jeweiligen Metallring anliegt. Bei manchen Nachbildungen ist das falsch wiedergegeben - siehe nächste Seite.
Vorderseite des Astrolabiums
Die Aufhängung und das Kardangelenk garantieren, dass das Instrument für die Höhenmessung senkrecht hängen kann - siehe Rückseite. Die Krone hat Verzierungen, meist auch Wappen. Das hier gezeigte Gehäuse (Mater) gehört zu einer Nachbildung*) eines Astrolabium des französischen Astronoms Micheal Asineus aus dem Jahr 1602.
Wenn man die Höhenkreise vom Nordpol (90º) herunterzählt, so findet man den Nordpol bei ca. 42º. Der 42-Breitengrad liegt etwas nördlich von Barcelona. Der Wendekreis des Steinbocks verläuft - wie rechts unten vermerkt - längs des Randes der zylindrischen Vertiefung, was falsch ist, denn er lässt keinen Platz für den metallenen Ring der Rete, der noch dazwischen passen muss. Der Zeiger der Vorderseite hat aus Gründen des Gleichgewichts zwei Flügel. Gebraucht wird nur der rechte. Er trägt eine Skala, auf der man ablesen konnte, wo im jeweiligen Tierkreiszeichen die Sonne steht. Diese Information ist heute nicht mehr korrekt - siehe Rückseite dieses Instruments.
Die Rückseite eines Astrolabiums
Die Rückseite hat ganz außen eine ringförmige Gradskala für die Höhe der Sonne oder eines Sterns über dem Horizont. Zur Messung dienen zwei Kimmen auf dem Zeiger. Im Fall der Sonne wirft die obere einen Schatten, der sich mit der unteren genau decken muss.
Im Fall eines Sterns visiert man per Auge den Stern über die zwei Kimmen an. Dazu muss das Astolabium senkrecht hängen. Man fasst es also an der Schnur der Aufhängung und lässt es auspendeln. Außerdem dreht man es an der Schnur, bis seine Ebene auf den Himmelskörper zeigt. Für alle anderen Handhabungen des Astrolabiums ist seine Lage gleichgültig.
Man hält es meist waagrecht, um es besser ablesen zu können. In der Mitte befinden sich verschiedene Skalen mathematischen Charakters, die hier nicht interessieren sollen.
Die Rete
Die durchbrochene Scheibe, die Rete, hier der Deutlichkeit halber separat abgebildet, besteht wie schon gesagt aus den beiden Ringen, dem Wendekreis des Steinbocks und der Ekliptik, sowie in der Mitte die Öffnung für die Achse. Die Verbindungsstege mit Namen und Zeigern auf Sterne sind ornamenthaft angelegt und die künstlerische Gestaltung ist bei fast allen Astrolabien verschieden. Der kleinere Ring, die Ekliptik, symbolisiert den Lauf der Sonne im Jahreswandel.
Er trägt die zwölf Tierkreiszeichen, jeweils mit einer Einteilung in 30º. Die Sonne steht zur Sommersonnenwende „oben“ am Anfang des Krebses (Cancer) und zur Wintersonnenwende „unten“ am Anfang des Steinbocks (Caprikorn). Die Vergrößerung zeigt das Tierkreiszeichen Widder (Aries) mit dem Frühlingspunkt bei 0º. Man beachte, dass die Skalenstriche schräg angebracht sind, damit sie mit der Kante des Zeigers, der sich um den Mittelpunkt der Scheibe dreht, übereinstimmen.
Die Einteilung der Ekliptik
Der Tierkreis (Zodiak) unterteilt die Ekliptik in 12 Abschnitte zu je 30 Längengrad. Man darf die Längengrade nicht mit den Kalendertagen verwechseln, denn es gibt nur 360 Grade, aber 365 Tage. Für die genaue Zuordnung von Grad und Tag braucht man eine Umsetzungshilfe. Diese findet man auf der Rückseite des Gehäuses. Es sei festgehalten, dass die Einteilung des tropischen Tierkreises an vier Zeitpunkten im Jahr festgemacht ist: den beiden Tagundnachtgleichen und den beiden Sonnenwenden. Diese lassen sich astronomisch genau bestimmen, hängen aber unmittelbar von der Richtung der Erdachse im All ab.
Diese führt eine Kreiselbewegung aus und dreht dabei den Tierkreis mit, und zwar um etwa -1º in 72 Jahren. Mit anderen Worten, die Sonne steht zu Frühlingsbeginn gar nicht am Anfang des Sternbildes Widder - das war in der Antike einmal so - sondern im Sternbild der Fische. Sie wird „bald“ zum Wassermann wechseln. Der tropische Tierkreis ist eine abstrakte Vorstellung, die sich nicht an den Sternbildern Im Gegensatz dazu bewegt sich der sogenannte siderische Tierkreis gegenüber den Fixsternen nicht, wohl aber verschiebt er sich im Kalender in 72 Jahren um ca. 1 Tag. In der Astrologie werden beide verwendet: der siderische hauptsächlich im indischen Kulturkreis.
Kalender und Tierkreis
Zurück zur Rückseite das Astrolabiums und der Zuordnung eines Kalenderdatums zu dem Tierkreis auf der Ekliptik. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei der äußeren kreisförmigen Skala um eine Gradeinteilung zur Messung der Sonnen- oder Sternenhöhe. Nach innen zu folgen die Sektoren des Tierkreises. Der Ausschnitt zeigt ARIES und PISCIS. Noch weiter innen sieht man die Monate Aprilius und Marius. Der Frühlingspunkt liegt auf der Waagrechten bei Aries 0º. Dem entspricht laut Monatsskala der 22. März.
Bei dem Peuerbach-Astrolabium dagegen entspricht Aries 0º dem 10. März. Der Grund dafür ist, dass 1582 der Julianische auf den Gregorianischen Kalender umgestellt wurde. Dabei hat man 10 Kalendertage gestrichen. Aus dem 10. wurde der 20. März. Beide Daten sind nicht ganz exakt, denn die Kalenderreform legte Wert darauf, dass der Frühlingspunkt am 21. März stattfindet (ab da wird das Osterndatum berechnet und diese Tradition war dem Papst wichtig).
Zur Zeit liegt der Frühlingspunkt (Tagundnachtgleiche) allerdings auf dem 20. März - die Himmelsmechanik folgt nicht so ganz päpstlichen Wünschen. Oder doch? Vollmond im Jahr 2019 ist am 21. März, also nach dem echten Frühlingspunkt. Ostern wäre also am nächsten Sonntag, dem 24. März. Gilt nicht, Frühlingspunkt muss laut Kirche der 21. sein und der nächste Vollmond danach ist erst am Freitag,19. April, und d.h. Ostersonntag ist am 21. April!
Die Uhrzeit mit dem Astrolabium bestimmen
Zu Beginn wurde darauf hingewiesen, dass an einem bestimmten Datum und Uhrzeit, z. B. am 22. März 2018 um 11:04 Uhr (bzw. um 13:04 Uhr) die Sonne eine bestimmte Höhe hat, in diesem Falle 40° über dem Horizont. Wenn man zwei der drei Größen kennt, kann man die dritte bestimmen. Dazu dient das Astrolabium. Meistens ist es die Uhrzeit, die man tagsüber bestimmen will. Das Datum wird mit Hilfe der Rückseite des Astrolabiums auf den Tag des Tierkreiszeichens projiziert: Tag 0 im Aries. Auf der Vorderseite dreht man den Zeiger auf diesen Tag auf der Ekliptik. Danach wird der Zeiger zusammen mit der Rete auf den Höhenkreis 40° gedreht: Die Uhrzeit wird am äußerem Ring abgelesen: 13:04. Die 4 Minuten nach 13:00 Uhr ergeben sich, weil der Wohnort des Verfassers nicht in der Mitte der Zeitzone MEZ liegt, sondern auf 14° östlicher Länge. Die Abweichung um 1° bedingt 4 Minuten Zeitverschiebung (60min:15°). Das Astrolabium zeigt also die wahre Sonnenzeit und nicht die Zeit in der Zeitzone an - siehe nächstes Kapitel. Nachts kann man die Höhe eines Sterns messen, Datum und Uhrzeit einstellen und feststellen, welcher Sternzeiger auf diesen Höhenkreis zeigt. Uhrzeit 13:04
Der Begriff der Zeit
Zeit ist ein sehr unterschiedlicher Begriff. Am bekanntesten mag Winter- und Sommerzeit sein. Alle hier genannten Zeiten sind Winterzeiten; im Sommer ist eine Stunde abzuziehen. Im vorausgehenden Artikel begegneten wir dem Begriff ‚wahre Sonnenzeit‘: sie ist am Lauf der Sonne orientiert und vergeht ungleichmäßig, da die Sonne, genauer gesagt die Erde, sich nicht gleichmäßig bewegt. Alle Sonnenuhren - und das Astrolabium ist eine Sonnenuhr - haben diese Eigenschaft. Mechanische und elektronische Uhren teilen die Zeit in physikalisch gleiche Intervalle. Das ist, was wir heute unter Zeit verstehen. Der Tag hat 24 Stunden und jede ist gleich lang. Ein Sonnentag hat 24 Stunden, aber die Stundenlänge differiert von Tag zu Tag und kann bis zu einer viertel Stunde vom Soll abweichen. Also Höchststand der Sonne ist nicht immer um 12:00 Uhr. Übers Jahr gleicht sich das in etwa aus, so dass man von einer mittleren Sonnenzeit ausgeht, um die Anzeigefehler einer Sonnenuhr zu mitteln. Sonnenzeit hängt auch von dem Längengrad ab: 24 h x 60 Minuten geteilt durch 360° ergibt 4 Minuten pro Längengrad. Man nennt sie auch Ortzeit, und da sie eine Sonnenzeit ist, gibt es eine wahre und eine mittlere Ortszeit. Statt der 4 Minuten Regel teilen wir die Erde in Zeitzonen ein, jeweils eine Stunde breit, theoretisch also 15°; manche sind aus politischen Gründen breiter, schmäler oder zerrissen.
Temporale Stundeneinteilung
In vielen alten Kulturen und über Jahrhunderte hinweg wurde der Tag in 24 temporale Stunden eingeteilt: 12 gleichlange Stunden für den lichten Tag und 12 gleichlange für die Nacht. ‚Helle‘ und ‚dunkle‘ Stunden waren also unterschiedlich außer an den beiden Tagen der Tagundnachtgleiche. Ihre Dauer ändert sich von Tag zu Tag und war darüber hinaus vom Breitengrad abhängig. Man mag erstaunt sein über diesen Gebrauch bis ins Mittelalter hinein. Es erlaubte z. B. im klösterlichen Leben gewisse Dinge immer zur gleichen Stunde zu verrichten. Im Winter, wenn die lichten Stunden kürzer waren, etwas schneller; im Sommer hatte man dafür mehr Muße. Als Anzeiger für temporale Stunden wurden fast ausschließlich Sonnenuhren benutzt. Aber auch mechanische, sogenannte astronomische Uhren aus dem Mittelalter dienen diesem Zweck, wie etwa astronomischen Uhren in Bern oder Prag. Diese sind einem Astrolabium nachgebildet. Sie zeigen die Ekliptik mit den Tierkreiszeichen, tangiert von den Wendekreisen des Steinbocks und des Krebses. Die gebogenen goldenen Streifen geben die jeweilige temporale Stunde wieder. Auf dem Astrolabium unten sind Kurven für die temporalen Stunden eingeblendet.
Schlusswort
Astrolabien, seit der Antike bekannt, erlebten im Mittelalter eine hohe Zeit, bis sie von anderen technischen Instrumenten abgelöst wurden, z. B. der mechanischen Uhr mit Ganghemmung (1335), dem Fernrohr (1608) und dem Sextanten zur Höhenmessung (1700). Astrolabien beruhen völlig auf dem geozentrischen Weltbild, als die Erde im Mittelpunkt des Universums stand und sowohl Sonne wie Mond zu den Planeten gehörten. Aber letztere kannte man gut. Zu ihrer Vermessung dienten eben die Astrolabien. Mit diesen Messdaten konnte schließlich Johannes Keppler das heliozentrische Weltbild des Nikolaus Kopernikus (1543) beweisen. Astrolabien sind wunderschöne Instrumente, die vom mathematischen Verständnis der Kartografie in der Antike, sowie vom hohen Können der präzisen und ästhetischen Ausfertigung im Mittelalter zeugen.
Azimutwinkel in Bezug auf den Horizont
Die Azimutwinkelkreise (s.o.) sind Kreise, die durch Zenit und Nadir gehen und den Horizont senkrecht schneiden. Letzterer existiert schon in der Projektion (s.o.), aber es fehlt die Gradeinteilung. Das Bild rechts verzichtet auf die perspektivische Darstellung der Himmelssphäre, so dass der Horizont als waagrechter Durchmesser erscheint.
Auf ihm sind die ‚Perlen' der 10 Grad Einteilung aufgereiht. Ihre Lage kommt zustande, wenn man den Horizont vom Zenit aus betrachtet und unterteilt. Die ‚Perlen' werden nun auf das Bild des Horizonts auf der Planisphäre projiziert.
Die rot gestrichelten Projektionslinien sind nur angedeutet. Ebenfalls ist die Projektion des Nadir dargestellt. Als nächstes werden die Azimutwinkelkreise konstruiert. Sie schneiden, wie schon oben gesagt, den Horizont senkrecht und gehen durch den Zenit und Nadir.
Ein Kreis ist eigentlich durch 4 Punkte überbestimmt; aber da dem so sein muss, kann der vierte Punkt zur Kontrolle der Konstruktion dienen. Im folgenden Bild werden nur die Kreise für die Winkel 30º, 60º, und 90º dargestellt, da sonst das Bild zu überladen wäre. Man beachte, dass der Kreis für 0º der Durchmesser des Horizonts ist, der mit der Geraden Zenit - Nadir zusammenfällt. Der Mittelpunkt dieses Kreises liegt im Unendlichen. Man beachte, dass der Radius für 30º bereits recht groß ist. Die für 20º und 10º sind noch viel größer, und jener für 0º ist unendlich.
Es gilt nun alle Kreise zu konstruieren, was einer Fleißaufgabe entspricht. Um das Bild nicht zu überfrachten, wird alles abgeschnitten, was außerhalb des Horizonts und außerhalb des Wendekreises des Steinbocks liegt - letzterer ist der große weiße Kreis im Bild. Das Ergebnis sieht man links unten.
Der nächste Schritt entfernt die Kurven außerhalb des Wendekreises des Steinbocks, da nur das Innere dieses Kreises für das Astrolabium gebraucht wird. Auch die Projektionsebene (Planisphäre) hat ihren Zweck erfüllt und wird nicht mehr benötigt. Alle bislang konstruierten Kreise werden eingesetzt. Dies ist rechts zu sehen (bitte auf die Bilder klicken, um diese zu vergrößern).
Kleine Abhandlung über Astrolabien
von unserem Kunden Dr. Peter Große
In diesem Beitrag geht es um die astronomischen Instrumente Armillarsphäre und Astrolabium unter besonderer Berücksichtigung des Verfahrens der "Stereografische Projektion". Damit lässt sich eine Kugeloberfläche in einer Ebene abbilden vermittels der Zentralprojektion. Wie dies genau funktioniert, wird dabei eingehend untersucht.
Ein Astrolabium ist ein Sternhöhenmesser, also ein astronomisches Instrument, mit dem man zum Beispiel ermitteln kann, welches Sternzeichen wann am Himmel zu sehen ist. Dieses Instrument war schon im Altertum bekannt. Die älteste vollständige Beschreibung findet man bei Ptolemäus (~100 bis ~160 n. Chr.). Aber die Kenntnisse darüber sind älter. Genannt werden in dem Zusammenhang u.a. Hipparchos (~190 bis ~120 v. Chr.) und Eratosthenes (~276 bis ~190 v. Chr.).
Die heutigen Museumsstücke stammen fast alle aus dem Mittelalter und zeugen von der hohen handwerklichen Kunst, aber auch von dem mathematischen und astronomischen Verständnis in jener Zeit. Letzteres soll hier behandelt werden. Das Astrolabium ist weniger anschaulich als sein Vorgänger, die dreidimensionale Armillarsphäre (siehe unten). Es ist aber als Messgerät einfacher anwendbar.
Vorbemerkung
Die Sonne nimmt jeden Tag einen etwas anderen Verlauf. Sie geht in der ersten Jahreshälfte früher auf, steht höher und geht später unter als am Tage zuvor; in der zweiten Jahreshälfte ist es umgekehrt. Das weiß ein jeder, und jedermann kann daraus schließen, dass zu einem bestimmten Datum und Uhrzeit, z. B. am 22. März 2018 um 11:04 Uhr, die Sonne eine bestimmte Höhe hat, in diesem Falle 40° über dem Horizont. Oder umgekehrt: wenn am 22. März die Sonne 40° über dem Horizont steht, dann ist es 11:04 Uhr. Es gilt auch, wenn die Sonne um 11:04 Uhr 40° hoch steht, dann muss es der 22. März sein (bzw. der entsprechende Tag 6 Monate später). Man kann auch bestimmen, aus welcher Richtung die Sonne scheint. Der Azimutwinkel ist der Winkel zwischen der Sonnen und der Südrichtung. (Letztere wird durch den Höchststand der Sonne, d.h. 12:00 Uhr Ortszeit, definiert).
Zu beachten sind hier die unterschiedlichen Zeitbegriffe, auf die jedoch später eingegangen werden soll. Auch hängt die Sonnenhöhe vom Ort des Beobachters ab, in diesem Fall 48,5° nördliche Breite. Deutschland liegt zwischen dem 47. und 55. Breitengrad nord. Bei der Bestimmung des Azimutwinkels helfen folgende Überlegungen: Die Sonne legt die 360° einer vollen Umdrehung in 24 h zurück – pro Stunde also 360°:24 = 15°. Das stimmt aber nur im Durchschnitt. Um die Mittagszeit ist die Sonne scheinbar schneller als frühmorgens – im obigen Zahlenbeispiel beträgt der Azimutwinkel für 11:00 Uhr 20°. Der Grund liegt darin, dass wir die Sonnenbahn perspektivisch als Ellipse sehen.
Inhalt
Vorbemerkungen
Armillarsphäre
Stereografische Projektion
Azimutwinkel in Bezug auf den Horizont
Was bedeuten die Höhenkreise?
Der Aufbau des Astrolabiums anhand des Peuerbach-Astrolabium
Die Vorderseite des Astrolabiums
Die Rückseite eines Astrolabiums
Die Rete
Die Einteilung der Ekliptik
Die Uhrzeit mit dem Astrolabium bestimmen
Der Begriff der Zeit
Temporale Stundeneinteilung
Schlusswort
Armillarsphäre
Das Weltall wird so betrachtet, wie es ein Beobachter sieht: die Erde steht im Mittelpunkt, der Horizont ist eben, Sonne und Sterne bewegen sich über die sichtbare Himmelshalbkugel. Zum Messen eines Himmelskörpers dienen der Höhen- und der Azimutwinkel. Datum und Uhrzeit sind wichtige Begleitinformationen.
Ein Modell dieser dreidimensionalen Welt ist die Armillarsphäre (armillar = Reifen, sphäre = Kugel). Eratosthenes, 3. Jh. v. Chr., verwendete sie zu Sternmessungen und benutzte dafür aber auch die Bezeichnung Astrolabium oder „Stern-Nehmer“.
Im Modell links symbolisiert die kleine blaue Kugel in der Mitte die Erde. Der breite horizontale Ring R-S ist der Horizont des Beobachters - bitte auf das Bild klicken, um dieses zu vergrößern. Der Zenit befindet sich senkrecht über ihm (in der Darstellung nicht markiert). Die Höhenkreise sind weggelassen, ebenfalls die beiden Großkreise zur Messung des Azimutwinkels. Beide Kreisarten werden weiter unten wieder eingeführt.
Hinzugekommen ist die Erdachse Q-P von links unten nach rechts oben. Sie weist auf den Polarstern „P“, also auf den Himmelsnordpol. Senkrecht zu ihr sind fünf kreisförmige Ringe zu sehen. Der große in der Mitte ist der Äquator. Die beiden kleinsten M-N und O-V sind die Polarkreise. Nördlich und südlich von ihnen geht die Sonne ein halbes Jahr nicht unter bzw. nicht auf. Die beiden weiter innen sind die Wendekreise des Steinbocks H-L bzw. des Krebses E-G, zwischen denen im Verlauf des Jahres die Sonne an zwei Tagen senkrecht herunter scheint. D. h. im Verlauf eines Jahres wandert die Sonne zwischen ihnen hin und her, und zwar auf einer Kreisbahn, die die beiden Wendekreise zur Sonnenwende tangiert.
Diese Kreisbahn heißt Ekliptik oder auch Tierkreis. Sie ist als breiter Ring von links oben nach rechts unten dargestellt. Man erkennt auf ihm die Namen der Monate Juillet, Aoust und Septembre, sowie die Tierkreiszeichen Krebs, Löwe und Jungfrau. Die Sonne (gelb markiert) befindet sich dem Krebs gegenüber im Tierkreiszeichen Wassermann. Sie bewegt sich im Verlauf eines Jahres einmal über die Ekliptik.
Von dieser Bewegung bemerkt der Beobachter nichts, außer dass die tägliche Sonnenbahn unterschiedlich hoch am Himmel verläuft. Dasselbe gilt für die Fixsterne, wie man nachts beobachten kann. Dennoch gibt es einen Unterschied. Die Sonne ist scheinbar etwas langsamer als die Fixsterne. Pro Tag bleibt sie etwa einen Grad zurück, im Jahr sind das 360 Grad. Sie steht alle 30 Tage vor einem anderen Sternbild, den so genannten Tierkreiszeichen. Wie gesagt, der Beobachter bemerkt davon nichts, denn Sonne und Fixsterne sind nie gleichzeitig zu sehen. Und doch kennt man dieses Phänomen seit dem Altertum! Das dreidimensionale Modell ist anschaulich; ein zweidimensionales Instrument ist besser ablesbar.
Einer arabischen Legende zufolge ritt Ptolemäus eines Tages auf einem Esel und hatte eine Armillarsphäre in der Hand. Diese ließ er fallen und der Esel trat darauf. Sie war platt. Die Planisphäre, “platte Kugel”, war entstanden. Die Geschichte ist nett, aber historisch unglaubwürdig, denn die Planisphäre, die ebene Projektion der Weltkugel, war schon viel früher bekannt. Mehr Informationen zur Armillarsphäre finden Sie hier.
Stereografische Projektion
Peter Paul Rubens hat die rechts stehende Buchillustration geschaffen. Sie zeigt den Schattenwurf der Armillarsphäre auf den Boden, verursacht durch die empor gehaltene Fackel. Dass letztere eigentlich genau senkrecht über der Sphäre stehen und diese berühren sollte, sei der künstlerischen Freiheit gezollt. Als Projektionszentrum PZ wird ein Punkt auf der Kugeloberfläche gewählt. Die Projektionsebene steht senkrecht zur Linie PZKugelmittelpunkt. Der Abstand dieser Ebene von PZ ändert nur den Maßstab. Im Allgemeinen wird aber die Tangentialebene im Gegenpol von PZ genommen. Diese Projektion hat eine Besonderheit. Bei ihr werden alle Kreise auf der Kugeloberfläche als Kreise in der Ebene abgebildet. Außerdem besteht Winkeltreue. Das macht die Planispäre als Messinstrument tauglich.
Das ist bereits bei Ptolemäos in seiner kleinen Abhandlung Planisphaerium dargelegt. Als Projektionszentrum PZ wird der Südpol und als Projektionsfläche die Tangentialebene an den Nordpol der Himmelssphäre gewählt. Es ist einfach, die beiden Wendekreise und den Äquator geometrisch auf die Planisphäre zu übertragen, denn sie sind parallel zur Projektionsebene. Die Ekliptik kann leicht konstruiert werden, da man weiß, dass ihr Bild ein Kreis ist, und dass sie die zwei Wendekreise berührt.
Als nächstes werden die Höhenkreise von Seite 1 auf die Planisphäre übertragen. Um das Bild nicht zu überfrachten, zeigt die Darstellung nur Projektionslinien für den Horizont (0°), den Höhenkreis 40° und den Zenit (90°). Die geometrische Konstruktion ist nicht schwieriger als im oberen Fall, da man weiß, dass die nord-südlichen Durchmesser der Höhenkreise in einer Ebene liegen, die auf der Projektionsebene senkrecht steht und das Projektionszentrum enthält.
Die perspektivische Darstellung der Himmelssphäre wurde wegen der Kontinuität zu Seite 1 beibehalten, stört aber eher. Bei Draufsicht würden die Kreise zu Durchmesser, die es zu übertragen gilt. Man bemerke die Verzerrung der Größenverhältnisse. Dies wird bei dem nächsten Vorhaben, die Azimutwinkel auf die Planisphäre zu bringen, noch krasser. An dieser Stelle gibt es noch ein mathematisches Intermezzo zum Astrolabium.